Filmkunst: “Joan Baez – I am a noise”

  • Kino Pali, Herzbachweg 1, 63571 Gelnhausen
  • Filmszene aus “I Am A Noise” © Albert Baez

    Als Musikerin, Bürgerrechtlerin und Aktivistin stand Joan Baez seit ihrem Debüt im Alter von 18 über 60 Jahre auf der Bühne. Für die inzwischen 82-Jährige war das Persönliche immer schon politisch, die Freundschaft zu Martin Luther King und der Pazifismus prägten ihr Engagement. Ausgehend von ihrer Abschiedstour zieht Baez in dieser Biografie eine schonungslose Bilanz, in der sie sich auch schmerzhaften Erinnerungen stellt. Sie teilt nicht nur ihre Erfolge, sondern spricht offen über langjährige psychische Probleme und Therapien, über Familie, Drogen, das Altern und Fragen von Schuld und Vergebung. Und sie stellt auch klar, dass sie während ihrer Beziehung mit dem sehr jungen Bob Dylan ihre Prominenz nutzte, um seine Karriere in Gang zu bringen. Ihre Enttäuschung über die spätere Entfremdung von Dylan wird greifbar. Aufgrund einer langjährigen Freundschaft zu einer der Regisseurinnen, Karen O’Connor, gewährte Baez dem Regietrio auch Zugang zu den „inneren Dämonen“, die sie seit ihrer Jugend begleiten. Der Film verwebt Tagebuchtexte, eine Fülle von teils ungezeigtem Archivmaterial und ausführliche Gespräche mit Baez mit Backstage-Momenten der Tour. Ein intimes Porträt, das nicht nur für Fans interessant ist.

     

    Rezension aus dem Amnesty-Journal:

    Ihre Stimme lässt nach, Krach geht aber: Joan Baez, der Inbegriff aller Protestsänger*innen, benötigt zwar mittlerweile einen Voice-Coach, doch gelingt es ihr immer noch, mit ihrem Hund um die Wette zu heulen.

    Von Jürgen Kiontke

    “I Am A Noise” lautet der Titel eines Dokumentarfilms, der einen sehr privaten Einblick in das Leben der mittlerweile 82-jährigen Musikerin gibt. Beim Bügeln ihres Bühnen-Outfits erzählt Baez freimütig über frühe Missbrauchserfahrungen und langjährige psychische Probleme. Sie war bereits mit 16 Jahren in Therapie, später starben nahe Familienangehörige, deren Tod sie nur schwer verkraftete. Wir erfahren auch, dass Baez in ihrer Jugend Tänzerin werden wollte. Doch sollte es bekanntlich anders kommen: Baez lieferte den Protest-Sound der 1960er Jahre. Beeindruckend war nicht nur ihre glasklare Stimme, sondern auch ihr Engagement für die Menschenrechte. Als sie 15 Jahre alt war, hörte sie das erste Mal Martin Luther King sprechen – was sie maßgeblich prägte. Sie setzte sich für inhaftierte Künstler*innen in den USA und aller Welt ein, kämpfte gegen Rassismus und unterstützte zivilen Ungehorsam gegen Kriegseinsätze in Vietnam und anderswo.

    Bis heute ist Baez Teil von Amnesty International. Sie gründete die Sektion an der US-Westküste, unterzeichnete 1973 die Anti-Folter-Petition, ging 1986 für Amnesty auf Tour. 2015 verlieh ihr die Organisation die Auszeichnung “Ambassador of Conscience Award”.

    Der sehenswerte Film lässt zahlreiche Stationen ihres Lebens Revue passieren, während sich Baez auf einen Auftritt vorbereitet – in einem kleinen Club. Er lässt ahnen, welche enorme Wirkung ihre Musik hatte und in gewisser Weise immer noch hat.

    113 Minuten, FSK: ab 12
    Regie: Miri Navasky, Karen O’Connor