Ein nachdenklich stimmender Vortrag im Rahmen der diesjährigen Friedensdekade
„Der Krieg vor dem Krieg – wie Propaganda über Leben und Tod entscheidet“ – unter diesem Titel hatten die Brentanobuchhandlung, Amnesty-International Gelnhausen, die GEW Gelnhausen und der Westend-Verlag Frankfurt am 21. 11. In das Bildungshaus eingeladen
Tobias Gros, Brentano Buchhandlung, begrüßte den Referenten des Abends, den Publizisten und Politologen und Sachbuchautor Prof. Dr. Ulrich Teusch, der 2013 für sein SWR-Feature „Nicht schwindelfrei – über Lügen in der Politik“ den Roman-Herzog-Medienpreis erhalten hatte. Er bedankte sich vor den ca. 70 Anwesenden bei den Bildungspartnern Main-Kinzig für die Zurverfügungstellung des großen Hörsaals der VHS. Hans-Joachim Karalus, Amnesty International Gelnhausen, stellte den Bezug zwischen Menschenrechtsverletzungen und Krieg her, indem er eine Passage aus „Der abenteuerliche Simplicius Simplizissimus Deutsch“ von Hans Jakob Christoffel Grimmelshausen vortrug.
Prof. Teusch stützte sich bei seinem Vortrag auf seine beiden zuletzt veröffentlichen Bücher „Lückenpresse – Das Ende des Journalismus wie wir ihn kannten“ und „Der Krieg vor dem Krieg“. Er formulierte eine scharfe Kritik an den herrschenden Medien, die anstatt ausgewogen und objektiv zu berichten, sich oft an einseitigen Narrativen orientierten. Diese Tendenz habe sich in den letzten Jahrzehnten, einer Zeit permanenter, hybrider, Cyber- und Wirtschaftskriege noch verstärkt und schränke den Spielraum für kritische Berichterstattung weiter ein.
Er zitierte den britischen Politiker und Friedensaktivisten Arthur Ponsonby (1871 – 1946), für den sich der Journalismus nie stärker diskreditiert habe als im Ersten Weltkrieg. Der Autor hat die gewaltigen Desinformationen zu seinen berühmten zehn Prinzipien der Kriegspropaganda wie folgt zusammengefasst:
- Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg.
- Wir sind unschuldig und friedliebend.
- Der Feind hat dämonische Züge.
- Wir kämpfen für eine gute Sache, der Feind für eigennützige Ziele.
- Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten, bei uns ist es ein Versehen.
- Der Feind verwendet unerlaubte Waffen.
- Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm.
- Unsere Sache wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt.
- Unsere Mission ist heilig.
- Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.
Diese Prinzipien ließen sich auch in der Berichterstattung über aktuelle Kriege nachweisen.
Teusch ging weiter auf die, seiner Meinung nach, ungleiche Behandlung Israels und Russlands ein. Während der Holocaust an den Juden für ihn eine besondere Beziehung der Deutschen zu Israel begründe, fehle dies gegenüber Russland. Er zitiert hier den Princeton-Historiker Arno J. Mayer, der von einem anderen Holocaust, einer rassenideologisch begründeten Vernichtung, gegenüber der slawischen Bevölkerung spricht. Dies sei vollkommen aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.
Schließlich korrigierte sich Teusch in einem Aspekt selbst. Während er in seinem Buch noch die Metapher eines Neuen Kalten Krieges verwende, sehe er jetzt die Entwicklung von einer unipolaren zu einer multipolaren Weltordnung, in der neben der USA mindestens Russland und China als weitere Akteure aufträten.
Als eine positive Aussicht könne dies auch zu einem Prozess hin zu einer friedlicheren Weltordnung führen, in der er durchaus Chancen für einen kritischen, unabhängigen Journalismus sehe. Dieses und andere Fragen wurden in der anschließenden Diskussion erörtert. Und so blieb trotz der sehr kritischen Bestandsaufnahme für die Zuhörerinnen und Zuhörer die Perspektive auf ein positives „Friedensklima“ – dem Motto der diesjährigen Friedensdekade.
Artikel aus der Gelnhäuser Neuen Zeitung vom 27.11.2019
Der Vortrag findet im Rahmen der Friedenskdekade 2019 statt. Hier der Flyer zu allen Veranstaltungen in Gelnhausen.